Funktioniert es? Klimaangepasstes Wohnen im Herzkamp in Hannover

Sascha Priesemann

Sascha Priesemann

Magazin-Redakteur bei Gundlach

Kaltluftschneisen gegen die Hitze, Mulden für den Starkregen: Im Herzkamp in Hannover-Bothfeld hat Gundlach ein einzigartiges Leuchtturm-Projekt umgesetzt. Ergebnisse von Messstationen zeigen jetzt: Das Klimawohl-Projekt hat Lösungen für das Leben in Zeiten des Klimawandels gefunden.

Kühler Wind weht in der Sommernacht vom Wald her durch das  Quartier. Wohnungen und der Quartiersplatz kühlen sich spürbar ab. Wenn am nächsten Tag die Temperatur wieder steigt, ist es hier angenehmer als an vielen Orten in der Stadt. 

Die Folgen des Klimawandels bekommen wir schon jetzt zu spüren. Hitzetage mit Temperaturen weit über 30 Grad und Starkregen-Ereignisse treten häufiger auf. Neue Wohnquartiere müssen darauf vorbereitet sein. „Wir müssen lernen, nicht in das oberste Regal der Maßnahmen zu greifen, sondern in das richtige", stellt Gundlach-Geschäftsführer Dr. Frank Eretge klar. Gundlach startete vor mehr als acht Jahren zusammen mit der Landeshauptstadt Hannover und dem sustainify Institut mit dem Klimawohl-Projekt im Herzkamp. Das neue Wohnquartier wurde,  gefördert durch das Bundesumweltministerium, als Reallabor mit zahlreichen Messstationen ausgestattet und soll nun als Vorbild für Projekte in ganz Deutschland dienen.

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So lebt es sich im Herzkamp ♡ | Nachhaltig Bauen und Wohnen in Hannover-Bothfeld | Gundlach

Mulden für den Starkregen

Das Quartier kommt ohne Regenwasserkanal aus. Der gesamte Niederschlag wird von Mulden auf den Grundstücken und an den Straßen aufgenommen, versickert im Boden und füllt so das Grundwasser auf. Bei Starkregen können multifunktionale Flächen wie auf dem Quartiersplatz und Notüberlaufflächen viel Wasser aufnehmen. „Das Regenwasserkonzept der Ingenieurgemeinschaft Agwa war maßgeblich für die Bebauung«, sagt Elisabeth Czorny, Projektleiterin der Stadt Hannover. Ob das System funktioniert, hat das Klimawohl-Lab bei einem Wasserfest im Sommer 2022 getestet. Dafür wurde der Quartiersplatz mit 60 Litern pro Quadratmeter geflutet. „Es hat funktioniert. Das Wasser war so schnell versickert, die Kinder konnten gar nicht so lange planschen, wie wir erwartet hatten", erinnert sich Czorny.

Bild vom Wasserfest in Herzkamp, es zeigt eine überflutete Mulde.
Bild vom Wasserfest in Herzkamp, es zeigt eine überflutete Mulde.
Bild vom Wasserfest in Herzkamp, es zeigt eine überflutete Mulde.
Bild vom Wasserfest in Herzkamp, es zeigt eine überflutete Mulde.
Bild vom Wasserfest in Herzkamp, es zeigt eine überflutete Mulde.
Bild vom Wasserfest in Herzkamp, es zeigt eine überflutete Mulde.
Bild vom Wasserfest in Herzkamp, es zeigt eine überflutete Mulde.
Bild vom Wasserfest in Herzkamp, es zeigt eine überflutete Mulde.

Das Hochwasser zum Jahreswechsel 2023/24 – ein Regenereignis, das so nur alle 20 Jahre vorkommt – brachte einen echten Härtetest. Aber auch dieses Mal lief das Wasser ab, versickerte in den Mulden und Notüberlaufflächen. Beides zeigte aber auch die Herausforderungen: Das System funktioniert nur mit dauerhafter Pflege. Versperrt langes Gras den Weg zur Mulde, staut sich das Wasser dort, wo es nicht soll. Während der Bauphase parkten zudem immer wieder Autos auf dem sensiblen Oberboden und verdichteten ihn so stark, dass er das Wasser nicht aufnehmen konnte.

Acht Messstellen im Herzkamp überprüfen das Grundwasser. Durch das Hochwasser ist es wieder angestiegen – mit einem Höchstwert zum Jahreswechsel. Am Waldrand haben sich sogar Raupenhüpferling und Brunnenkrebs im Grundwasser angesie-delt – Indikatoren für gute Wasserqualität. 

Natürlich gekühlte Luft gegen die Hitze

Kalte Luft aus einem Waldgebiet kühlt seit vielen Jahren den Stadtteil Bothfeld an heißen Sommertagen ab. Die Kaltluftschneise führt mitten durch das Baugebiet Herzkamp. Gundlachs Aufgabe war es daher, diese natürliche Klimaanlage 
beim Bau der Häuser zu erhalten. Doch ist das gelungen?

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Die Wohngebäude im Quartier sind so angeordnet, dass die kühle Luft weiterhin bis in den Stadtteil zieht. Messinstrumente der hannoverschen Firma GEO-Net Umweltconsulting auf Balkons von vier Mietwohnungen und Laternen messen Temperatur und Windrichtung. Ergebnis: Die kalte nächtliche Waldluft aus dem Norden wird unterstützt. Vor der Bebauung wehte der Wind meist aus Westen und Nordosten. „Mit der Bebauung ist die Kaltluftleitbahn nicht zum Erliegen gekommen – im Gegenteil, sie ist jetzt sogar messbar stärker", sagt  Sophie Jürges, Projektleiterin bei Gundlach. 

Nach Mitternacht fällt die Temperatur rapide, vor allem auf den Balkons, die den Nordwinden zugewandt sind. Ein Beispiel eines Hitze-Tages im August 2022: Bis 19 Uhr hatten sich die Balkons der Mietwohnungen auf mehr als 32 Grad aufgeheizt. Dort sank die Temperatur nachts von 25 auf 19 Grad. Wer morgens oder in der Nacht die Fenster zum Stoßlüften weit öffnete, konnte seine Wohnung merklich abkühlen. 

Thermografische Drohnenflüge im Herzkamp zeigen deutlich, dass schon kleine Grünflächen das Klima im Wohngebiet deutlich verbessern. Die grünen Mulden haben somit einen doppelten Wohlfühleffekt: Sie lassen das Regenwasser versickern und kühlen das Quartier gleichzeitig ab.

Ist Klimaanpassung teuer?

An den Klimawandel angepasste Quartiere sparen in Zukunft Kosten. Doch schon kurzfristig ist der neue Weg  mitunter günstiger als der konventionelle. Beispiel Regenwasserkonzept: Planung und Herstellung haben Gundlach rund 174.000 Euro gekostet. Eine Regenwasser-Kanalisation wäre mit schätzungsweise 400.000 Euro mehr als doppelt so teuer geworden. Und selbst bei der Pflege verursachen die Mulden weniger  Kosten, als sonst durch die Niederschlagswassergebühren  anfallen. „Die Muldenbereiche sind meist Grünbereiche. Die hätten wir bei konventioneller Planung ebenfalls anlegen und dann auch unterhalten müssen", weiß Gundlach-Projektmitarbeiter Christian Tautz.

Eine vorhandene Kaltluftschneise zu nutzen ist ebenfalls günstiger als teure technische Systeme in Häuser und Wohnungen einzubauen. „Klimaanpassung ist kein Kostentreiber und steigert die Aufenthaltsqualität", fasst es Helga Kanning 
zusammen, die für das sustainify-Institut die wissenschaftliche Leitung übernommen hat. Aber wo liegt die Schwierigkeit? »Die Disziplinen müssen eng miteinander zusammenarbeiten. Die Planungen müssen so detailliert wie möglich sein«, erklärt Kanning. Wie genau das gelingen kann, ist in einem Leitfaden zusammengetragen.

Zahlen zum Herzkamp

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Wohnungen zum Kauf oder zur Miete

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Hektar Grundstücksfläche

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Bebaute Grundstücksfläche

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Millionen Euro Baukosten