Sascha Priesemann
Magazin-Redakteur bei Gundlach
Am Kronsberg gibt es einige ungewöhnliche Bauten, Gundlachs Recyclinghaus aber fällt auf und zieht neugierige Blicke an. Wie lebt es sich darin? Wir haben unsere Mietenden gefragt.
„Das ist das Haus aus Müll", sagen die Nachbarskinder. Das stimmt natürlich so nicht. Richtig ist aber, dass mehr als die Hälfte der verwendeten Bauteile und Werkstoffe beim Recyclinghaus von Gundlach vor der Entsorgung gerettet wurde. Zusammen mit dem Architekturbüro Cityförster ging Gundlach an die „Ernte": Türen und alte Ziegel aus einem Bauernhaus, Glaswände einer abgerissenen Lackiererei, Fenster eines ehemaligen Freizeitheims – all dies fand hier eine neue Verwendung. Der „Fliesenspiegel" im Bad besteht aus echten Kronkorken.
Seit vier Jahren leben Dorothee Weinlich und Achim Bothmann im Recyclinghaus auf Hannovers Kronsberg. Das Paar entdeckte den dreistöckigen Bau zufällig. „Wir identifizieren uns komplett mit diesem Haus und sehen uns als Pioniere des Gedankens", erklärt die Kommunikationsdesignerin. Auch selbst versuchen sie nachhaltig zu leben, experimentieren zum Beispiel mit Waschmittel aus Kastanien. Das vermeintlich Alte blüht in diesem futuristisch wirkenden Bauwerk neu auf. Stylische Holzelemente aus Saunabänken, alte Türen aus einem Bauernhaus und Einbauschränke von der Messe: „Wir sind uns nicht sicher, ob das Haus uns gefunden hat oder wir das Haus", sagt Weinlich.
Gäste seien oft erstaunt, wenn sie das Haus betreten, berichten die beiden. Die lichtdurchfluteten Räume oder die alten Ziegelsteine in der Wohnküche schaffen eine Wohlfühl-Atmosphäre. Die Holzwände machen die Zimmer gemütlich. „Das hat seinen ganz eigenen Charme. Es ist wie in einer Skihütte", sagt Weinlich. Was weniger auffällt: Das Haus hat kein Wohnzimmer. Die Wohnküche ist größer, ansonsten aber haben alle Räume ähnliche Maße. „Es gibt keine Hierarchie, alles ist gleichberechtigt", sagt Bothmann und fügt hinzu: „Man kann sich hier im Haus zurückziehen, aber auch treffen." Am liebsten sitzen die beiden auf einem Sessel in der geräumigen Wohnküche.
Selten wird die Recycling-Geschichte so deutlich wie bei den ehemaligen Wänden und Türen aus dem Messebau. Da ist plötzlich in blauer Schrift von global skills die Rede, an einer Tür steht Meeting Room. „Die Handwerker waren sehr kreativ, haben Ideen mit entwickelt, sie haben sich sehr mit dem Projekt identifiziert", erinnert sich Bothmann.