Umbau in Hannover: Der Schlüssel zu mehr Wohnraum?

Modell des Besucherhofes einer Umbau-Immobilie in Hannovers Südstadt. Foto: Anna Bertram, Max Hofmeister, Jannika Rehkopf, Stina Wellmann

Sascha Priesemann

Sascha Priesemann

Magazin-Redakteur bei Gundlach

Leere Bürogebäude, ungenutzte Dachböden – könnten sie helfen, Hannovers Wohnungsmangel zu lösen? Die Novelle der Bauordnung schafft neue Möglichkeiten.

Kreissägen kreischen im Baugebiet Kronsrode, Kräne heben schwere Baumaterialien. Auf Niedersachsens größter Baustelle in Hannover entstehen rund 4.000 neue Wohnungen. Bis 2035 wollen Politik und Verwaltung in der Landeshauptstadt 16.500 neue Wohnungen schaffen. Dafür bräuchte es mehr als vier Neubaugebiete in der Größe von Kronsrode. Oder geht es auch anders?

„Wir können nicht nur auf der grünen Wiese bauen und ständig neue Flächen versiegeln. Das ist nicht im Sinne des Klimaschutzes", sagt Sandra Gebauer, Architektin und Projektleiterin bei Gundlach. 

Umbau statt Neubau in Hannover: Graue Energie bei Gundlach bewahren

„In jedem Gebäude steckt viel graue Energie«, erklärt sie. Der Begriff bezeichnet die Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung der Baumaterialien benötigt wird. Das meiste davon – in der Regel etwas mehr als 50 Prozent – steckt im Rohbau. Wer unnötig intakte Gebäude abreißt und die Bestandteile entsorgt, um eine neue Immobilie zu errichten, produziert unnütz hunderte bis tausende Tonnen klimaschädliches CO₂. Einige Ressourcen wie Bausand werden zudem knapp. Laut Umweltbundesamt stammen mehr als 30 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen in Deutschland aus dem Gebäudesektor. 

„Alte Bauwerke haben einen Wert für uns als Gesellschaft. Neubauten fehlt dieser besondere Charme«, sagt Gebauer und führt aus: »Kunstwerke schmeißen wir ja auch nicht einfach weg. Es  geht auch um Respekt für das, was gebaut wurde." Gerade die Kombination aus Alt und Neu könne reizvoll sein – und einzigartige Orte entstehen lassen.

Broschüre End of Business

End of Business

Umnutzungsstrategien für Hannovers Bürowelt von Fakultät für Architektur und Landschaft an der Leibniz Universität Hannover.

Gesetze erschwerten Umbau in Niedersachsen

Bis Sommer 2024 war der einfache Umbau von Immobilien nahezu unmöglich. Denn wer es wagte, hatte mit zahlreichen gesetzlichen Vorgaben zu tun. Kompliziert und teuer machten es Anforderungen an Brand- und Schallschutz. Wer Gebäude aufstocken und neuen Wohnraum schaffen wollte, musste zusätzliche Auto-Stellplätze vorweisen, obwohl es dafür keinen Platz gab. Teils wurden Aufzüge aufwendig und teuer nachgerüstet. Abreißen 

und neu bauen war bis vor Kurzem einfacher und günstiger. „Wir brauchen eine Haltungsänderung – den Mut, auch mal weniger zu machen", fordert Gundlach-Geschäftsführerin Nadine Otto. 

 

Politisches Engagement von Gundlach trägt Früchte

Projektentwicklerin Juliana Fließ bringt es auf den Punkt: „Ein Großteil der Gebäude, in denen wir leben, entspricht nicht dem Neubaustandard, wir leben aber trotzdem richtig gut darin. „Es stört uns kaum, dass wir mal den Mixer des Nachbarn hören. »Wer hat diese großen Komfortansprüche niedergeschrieben?"

Gundlach engagierte sich in mehreren politischen Runden. Im Sommer novellierte der Niedersächsische Landtag die Bauordnung. Niedersachsens Bau- und Wirtschaftsminister Olaf Lies fasst zusammen: „Nach dem Umbau muss ein Gebäude nicht mehr können als vorher«. Umbau soll einfacher, schneller und günstiger werden. Einzig beim Umwelt- und Klimaschutz muss ein Gebäude effizienter sein als vorher. Bei Umbaumaßnahmen reicht statt Bauantrag künftig oft eine ausführliche Mitteilung an die Baubehörde. „Wir sind stolz, dass wir bei der Novellierung der Bauordnung mitwirken konnten«, freut sich Otto: „Wenn die Politik mutig ist, können sich Strukturen auch vereinfachen.«

Einfach gut! Büros zu Wohnungen in Hannover

Im Jahr 2023 standen in Hannover 4,7 Prozent der Büro­flächen leer, hat die Wirtschaftsförderung Hannover ermittelt. Das ergibt eine Gesamtfläche von 225.000 Quadratmetern – Potenzial für mehr als 5.500 Wohnungen. An der Ecke Marienstraße/Papenstieg plant Gundlach mit den Sabljo Architekten Polizeigebäude aus den 20er bis 60er­ Jahren um. Das Projekt ist Teil der Initiative "Einfach gut!" unter der Schirmherrschaft von Minister Olaf Lies. Die Struktur der Gebäude mit dem idyllischen Innenhof soll genutzt werden. Die Laubengänge dienen künftig als Balkon Ersatz und geben Zugang zu den Wohnungen. Die Grundrisse der Zwei­-Zimmer­-Wohnungen sind so geplant, dass zwei gegenüberliegende Büros zu Zimmern umgebaut werden. Der frühere Flur bietet Raum für Küchen und Bäder. „Wir bewahren die graue Energie, die in den Gebäuden eingeschlossen ist", erklärt Gebauer. Die wird allein im Bau am Papenstieg auf 528 Tonnen CO2 beziffert – 528 Buchen müss­ten 80 Jahre lang wachsen, um den Neuausstoß durch Abriss und Neubau auszugleichen. Bedeutet aber auch: Die Anforde­rungen zum Beispiel an den Schallschutz sind geringer als bei Neubauten. 

Ungenutztes Verwaltungsgebäude in der Marienstraße in Hannover